Frankfurter Neue Presse
Ausbildung -Auf dem Bau fehlen Lehrlinge-
03.05.2018 Von THOMAS J. SCHMIDT
Frankfurt wächst. Überall wird gebaut – doch Fachleute fehlen, Lehrlinge sind im Baugewerbe Mangelware. Jede dritte Stelle bleibt unbesetzt. Manche Firmen setzen daher gezielt auf junge Flüchtlinge.
Frankfurt. Für den Ausbildungsbeginn im Sommer sucht Hermann Schmidt, Obermeister der Dachdeckerinnung und Inhaber von Daris GmbH in Rödelheim, noch drei Auszubildende. In jedem Jahr stellt das Unternehmen vier Dachdecker-Azubis ein. Drei der aktuellen Lehrlinge sind Flüchtlinge. „Sie sind gut“, sagt Schmidt anerkennend. Zum Glück sei die Bürokratie in diesem Zusammenhang deutlich erleichtert worden. „Die Jungs haben sich durchgebissen, Deutsch gelernt, einen Schulabschluss erreicht. Wenn sie noch Hilfe brauchen, etwa Nachhilfe, ist Frankfurt gut sortiert, die Arbeitsagentur, die Kammern und wir arbeiten gut zusammen. Es gibt ein dichtes Netz an Hilfsangeboten.“
Für Dachdeckermeister Schmidt haben die jungen Flüchtlinge zur Entspannung der Situation beigetragen. Dann Dachdecker und das gesamte Baugewerbe finden nur schwer genügend gute Bewerber. Überall wird gebaut, wachsen Wohntürme in den Himmel. Doch Berufsnachwuchs fehlt oft. Die Gewerkschaft IG Bau spricht gar von einer „Azubi-Ebbe“. „Daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern“, glaubt Carla Rodrigues. Die Bezirksvorsitzende der IG Bau Rhein-Main kritisiert: „Bauarbeitgeber begreifen immer noch nicht, dass es höchste Zeit wird, die Ausbildung auf dem Bau deutlich attraktiver zu machen. Das fängt bei der Lohntüte an.“
Oft wird weniger gezahlt
Raimund Ernst, Geschäftsführer der Bau-Innung Frankfurt, stutzt, als er die Vorwürfe der Gewerkschaft hört. „Aber auf dem Bau wird man wenigstens gut bezahlt. 1135 Euro im zweiten Lehrjahr, das ist doch Geld!“ In den meisten Ausbildungsberufen werde deutlich weniger bezahlt.
Dennoch sei es nicht einfach für die Firmen, neue Auszubildende zu finden, und es blieben Stellen offen.
Ernst schätzt, dass jede dritte der 135 offenen Stellen im August nicht besetzt werden kann: „Zum einen sagen kurzfristig Lehrlinge ab, die sich für einen andere Firma entschieden haben, zum anderen werden keine geeigneten Bewerber gefunden.“ 120 Frankfurter Baubetriebe gehören der Innung an, etwa 90 davon bilden aus. Sicher, die Baukonjunktur brumme, sagt Ernst. Die Firmen könnten sich fast aussuchen, welche Aufträge sie erledigen. „Jetzt ist die Engstelle das Personal. Es gibt nicht so viele Fachkräfte, wie beschäftigt werden könnten.“
Die Bewerber haben deswegen auch in diesem Jahr wieder alle Chancen auf eine gute Lehrstelle. Seit Oktober haben sich 3374 junge Leute bei der Agentur für Arbeit für eine Lehrstelle ab Sommer 2018 gemeldet. Zugleich gingen 3641 Stellenangebote ein. Die Tendenz ist in beiden Fällen positiv: 5,9 Prozent mehr offene Stellen, 14,1 Prozent mehr Bewerber. Zurzeit sind allerdings immer noch 2137 Lehrstellen in Frankfurt unbesetzt. 1923 junge Menschen suchten aktuell nach einer Lehrstelle, meldet die Agentur. Insgesamt könnte die Zahl der Azubis in Frankfurt daher wieder wachsen.
Seit Jahren gibt es ein inoffizielles Ranking der beliebtesten Berufe. Hier rangiert bei den Jungs meist der KFZ-Mechatroniker an der Spitze, bei den Mädchen die Kauffrau für Büromanagement. Hier Bewerber zu finden, ist kein Problem. Auf dem Bau ist es schon schwieriger. Dienstleistungsberufe wie Koch oder Restaurantfachkraft stehen traditionell noch weiter unten in der Beliebtheit. Bundesweit betrug die Abbrecherquote fast 26 Prozent, bei besonders unbeliebten Berufen wie dem der Sicherheitsfachkraft sind es gar mehr als 50 Prozent.
Für sich werben
Um so wichtiger ist für Unternehmen, schon vorher eine Auswahl an Bewerbern zu haben. „Damit Betriebe Auszubildende finden, ist es wichtig, dass sie bei jungen Leuten auf sich aufmerksam machen“, sagt Patrizia Borna, Sprecherin der Handwerkskammer Rhein-Main. Dafür gibt es Lehrstellenbörsen oder eine Präsentation der Innungen beim „Rudertag des Handwerks“ am 12. Mai. Da bietet die Innung Bau ein Tischfußballturnier mit dem amtierenden Weltmeister an.
Manchmal helfen alle Werbemaßnahmen wenig. Bei Dachdeckern sei eine Auswahl an guten Bewerbern zwar wichtig, doch was ein guter Bewerber sei, stehe nicht unbedingt im Zeugnis, sagt Schmidt. „Wir machen grundsätzlich einen Aufnahmetest und ein vierwöchiges Praktikum im Unternehmen. Denn nur so kann ein junger Mensch sehen, ob der Beruf seinen Vorstellungen entspricht. Es ist ja eine Lebensentscheidung.“ Mit allen Vor- und Nachteilen: Zum Beispiel morgens pünktlich um 6.30 Uhr im Betrieb zu sein, wenn der Bus zur Baustelle abfährt. „Nach vier Wochen“, ist Schmidt sicher, „wissen beide Seiten, ob sie zusammenpassen.“ Nur braucht es genügend junge Menschen, die das auch ausprobieren wollen.
Quelle: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Auf-dem-Bau-fehlen-Lehrlinge;art675,2978154
Ausbildung -Auf dem Bau fehlen Lehrlinge-
03.05.2018 Von THOMAS J. SCHMIDT
Frankfurt wächst. Überall wird gebaut – doch Fachleute fehlen, Lehrlinge sind im Baugewerbe Mangelware. Jede dritte Stelle bleibt unbesetzt. Manche Firmen setzen daher gezielt auf junge Flüchtlinge.
Frankfurt. Für den Ausbildungsbeginn im Sommer sucht Hermann Schmidt, Obermeister der Dachdeckerinnung und Inhaber von Daris GmbH in Rödelheim, noch drei Auszubildende. In jedem Jahr stellt das Unternehmen vier Dachdecker-Azubis ein. Drei der aktuellen Lehrlinge sind Flüchtlinge. „Sie sind gut“, sagt Schmidt anerkennend. Zum Glück sei die Bürokratie in diesem Zusammenhang deutlich erleichtert worden. „Die Jungs haben sich durchgebissen, Deutsch gelernt, einen Schulabschluss erreicht. Wenn sie noch Hilfe brauchen, etwa Nachhilfe, ist Frankfurt gut sortiert, die Arbeitsagentur, die Kammern und wir arbeiten gut zusammen. Es gibt ein dichtes Netz an Hilfsangeboten.“
Für Dachdeckermeister Schmidt haben die jungen Flüchtlinge zur Entspannung der Situation beigetragen. Dann Dachdecker und das gesamte Baugewerbe finden nur schwer genügend gute Bewerber. Überall wird gebaut, wachsen Wohntürme in den Himmel. Doch Berufsnachwuchs fehlt oft. Die Gewerkschaft IG Bau spricht gar von einer „Azubi-Ebbe“. „Daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern“, glaubt Carla Rodrigues. Die Bezirksvorsitzende der IG Bau Rhein-Main kritisiert: „Bauarbeitgeber begreifen immer noch nicht, dass es höchste Zeit wird, die Ausbildung auf dem Bau deutlich attraktiver zu machen. Das fängt bei der Lohntüte an.“
Oft wird weniger gezahlt
Raimund Ernst, Geschäftsführer der Bau-Innung Frankfurt, stutzt, als er die Vorwürfe der Gewerkschaft hört. „Aber auf dem Bau wird man wenigstens gut bezahlt. 1135 Euro im zweiten Lehrjahr, das ist doch Geld!“ In den meisten Ausbildungsberufen werde deutlich weniger bezahlt.
Dennoch sei es nicht einfach für die Firmen, neue Auszubildende zu finden, und es blieben Stellen offen.
Ernst schätzt, dass jede dritte der 135 offenen Stellen im August nicht besetzt werden kann: „Zum einen sagen kurzfristig Lehrlinge ab, die sich für einen andere Firma entschieden haben, zum anderen werden keine geeigneten Bewerber gefunden.“ 120 Frankfurter Baubetriebe gehören der Innung an, etwa 90 davon bilden aus. Sicher, die Baukonjunktur brumme, sagt Ernst. Die Firmen könnten sich fast aussuchen, welche Aufträge sie erledigen. „Jetzt ist die Engstelle das Personal. Es gibt nicht so viele Fachkräfte, wie beschäftigt werden könnten.“
Die Bewerber haben deswegen auch in diesem Jahr wieder alle Chancen auf eine gute Lehrstelle. Seit Oktober haben sich 3374 junge Leute bei der Agentur für Arbeit für eine Lehrstelle ab Sommer 2018 gemeldet. Zugleich gingen 3641 Stellenangebote ein. Die Tendenz ist in beiden Fällen positiv: 5,9 Prozent mehr offene Stellen, 14,1 Prozent mehr Bewerber. Zurzeit sind allerdings immer noch 2137 Lehrstellen in Frankfurt unbesetzt. 1923 junge Menschen suchten aktuell nach einer Lehrstelle, meldet die Agentur. Insgesamt könnte die Zahl der Azubis in Frankfurt daher wieder wachsen.
Seit Jahren gibt es ein inoffizielles Ranking der beliebtesten Berufe. Hier rangiert bei den Jungs meist der KFZ-Mechatroniker an der Spitze, bei den Mädchen die Kauffrau für Büromanagement. Hier Bewerber zu finden, ist kein Problem. Auf dem Bau ist es schon schwieriger. Dienstleistungsberufe wie Koch oder Restaurantfachkraft stehen traditionell noch weiter unten in der Beliebtheit. Bundesweit betrug die Abbrecherquote fast 26 Prozent, bei besonders unbeliebten Berufen wie dem der Sicherheitsfachkraft sind es gar mehr als 50 Prozent.
Für sich werben
Um so wichtiger ist für Unternehmen, schon vorher eine Auswahl an Bewerbern zu haben. „Damit Betriebe Auszubildende finden, ist es wichtig, dass sie bei jungen Leuten auf sich aufmerksam machen“, sagt Patrizia Borna, Sprecherin der Handwerkskammer Rhein-Main. Dafür gibt es Lehrstellenbörsen oder eine Präsentation der Innungen beim „Rudertag des Handwerks“ am 12. Mai. Da bietet die Innung Bau ein Tischfußballturnier mit dem amtierenden Weltmeister an.
Manchmal helfen alle Werbemaßnahmen wenig. Bei Dachdeckern sei eine Auswahl an guten Bewerbern zwar wichtig, doch was ein guter Bewerber sei, stehe nicht unbedingt im Zeugnis, sagt Schmidt. „Wir machen grundsätzlich einen Aufnahmetest und ein vierwöchiges Praktikum im Unternehmen. Denn nur so kann ein junger Mensch sehen, ob der Beruf seinen Vorstellungen entspricht. Es ist ja eine Lebensentscheidung.“ Mit allen Vor- und Nachteilen: Zum Beispiel morgens pünktlich um 6.30 Uhr im Betrieb zu sein, wenn der Bus zur Baustelle abfährt. „Nach vier Wochen“, ist Schmidt sicher, „wissen beide Seiten, ob sie zusammenpassen.“ Nur braucht es genügend junge Menschen, die das auch ausprobieren wollen.
Quelle: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Auf-dem-Bau-fehlen-Lehrlinge;art675,2978154